Frankreich 2012 – 18 – Genf – München

Wir hatten eine erholsame Nacht im Etap-Hotel. Irgendjemand hatte die Verriegelung des Fensters geöffnet und vergessen, es wieder zu schließen, so dass es bei unserer Ankunft leicht offen stand. So konnten wir sogar bei Frischluft schlafen, ohne Zwangsklimatsierung. Wie gesagt, sind die Etap-Hotels vom Konzept her ganz in Ordnung. Aber immer wenn ich auf einer Reise viele Hotelzimmer gesehen habe, möchte ich am liebsten selbst ein Gästehaus aufmachen, um all die kleinen und großen Fehler zu vermeiden, die mir begegnet sind. So war zum Beispiel der Kloschrank in unserem Zimmer genau so groß, wie unbedingt nötig, aber es war kein Halter für die Reserve-Papierrolle vorhanden, also lag die am Boden. Bei so viel Perfektion ein seltsamer Mangel. Anstelle eines Griffes hatte die Glastür der Duschkabine ein Griffloch, durch das Wasser von der Brause direkt auf den Boden spritzte.

Dafür waren Brause und Armatur wirklich in Ordnung. Keine zehnfach verstellbare Massagebrause, die nur ein paar Wochen lang schick ist und für den Rest ihres Daseins ein schreckliches Ärgernis für jeden Gast. Sei es, dass nur mehr ein Rinnsal herauskommt, sei es, dass das Wasser nach allen Seiten davonspritzt, sei es, dass ein scharfer Strahl unerwartete Empfindungen an Stellen hervorruft, die man eigentlich nur waschen wollte. Ein besonderes Monster von Dusche gab es bei unseren beiden Besuchen in Aurillac. Dort standen Fertigduschen mit einer großen fest eingebauten Brause über dem Kopf, die am liebsten dann losging, wenn man die Haare trocken behalten wollte. Dann gab es sechs oder acht schwenkbare seitliche Düsen unterschiedlichen Verstopfungsgrades, die beim Versuch, sie zu schwenken, zum Herunterfallen neigten, und schließlich noch die obligatorische Handbrause mit fünf Massagefunktionen. Siehe oben. Wie einfach könnte das Leben sein.

Wie wäre es mit der Möglichkeit, das Handtuch in Greifnähe der Dusche aufzuhängen? Wie generell mit Gelegenheiten, Handtücher aufzuhängen, so dass man sie auch noch am nächsten Morgen auseinanderhalten kann? Überhaupt gibt es selten ausreichend Haken und Bügel, seine Sachen aufzuhängen. Die vom Schwitzen feuchten Sachen bei der Ankunft, die unterwegs verpackt gewesenen Sachen zum Aushängen, ehe man sie anzieht, die schnell mal herausgewaschenen Sachen zum Trocknen, die Hose und das Hemd während man schläft.

Steckdosen sind meist auch Mangelware. Entweder fernsehen oder das Mobiltelefon laden. Im Etap-Hotel Genf hätte ich einen Adapter gebraucht, um mein Netbook aufzuladen, weil der in Deutschland und Frankreich passende Schuko-Netzstecker hier in der Schweiz nicht zu gebrauchen war. Dies alles hier festzuhalten hatte ich die Muße, während Friederike nach unserem Frühstück in einer einfachen Bar beim Migros Proviant und Mitbringsel einkaufte.

Blumenuhr mit Touristenbähnle

Dann rollten wir weiter durch die Stadt, stellten fest, dass die berühmte Blumenuhr höchstens wegen der vor ihr posierenden Touristen interessant ist, dass Genf das Geld hat, riesige alte Bäume mit der Handbrause begießen zu lassen, dass wir inzwischen so gut trainiert sind, dass wir den steilen Weg hinauf zur Kirche St. Pierre samt Gepäck radeln können, ohne abzusetzen, dass es in der Kirche dann allerdings außer Kanzel und Chorgestühl kaum etwas zu sehen gibt, dass es aber beim Heim für Töchter in einer Ecke des Platzes eine lauschige Bank zum aufeinander Warten gibt, dass man von dem Berg nur schwer wieder ohne Treppen herabfindet, dass das Solar-Touristenbähnle am Quai Gustave Ador kurz hält, damit seine Bleiakkus mittels Hubwagen ausgewechselt werden können und dass das durchorganisiert ist, wie ein Reifenwechsel bei der Formel 1, dass sich ein Teil der genfer Businesspeople mittags gerne mit einer Schachtel Takeaway-Food auf Steinstufen am Fluss setzt, während die vermutlich besser verdienenden ein paar Schritte weiter teuer speisen. Wir setzten uns auf eine Steinstufe am Quai, schauten dem bunten Treiben zu und aßen Brot und Käse vom Migros. Der Montblanc lag im Dunst verborgen.

Mittagspause am Quai

Am Bahnhof herrschte die übliche Verwirrung, wo das Fahrradabteil des Zuges sein würde. Ich fragte einen Eisenbahner, aber der gab eine falsche Auskunft, so dass wir nach Einfahrt des Zuges den üblichen Spurt hinlegen mussten. Hastiges Einsteigen also, aber als Mitfahrer hatten wir einen Richter aus Toulouse, der sehr gut deutsch sprach, viel mit dem Fahrrad herumgekommen war und allerhand zu erzählen hatte. So wurde uns bis Zürich nicht langweilig. Dann umsteigen in den Zug nach München, wo wir für Menschen und Räder reservierte Plätze hatten. Auch das klappte alles recht problemlos. Ab Lindau schlich der Zug wegen Bauarbeiten auf irgendeiner Umleitungsstrecke dahin. Es gab Strom für mein Netbook, also schauten wir uns meine Fotos an, ich hörte Musik, Friederike las in ihrer französischen Krimisammlung. Uns war so langweilig, wie das klingt. Zudem stand uns noch die Radltour vom Hauptbahnhof nach Hause bevor, denn auf der S-Bahn-Stammstrecke in München wird an allen Sommerwochenenden gebaut.

Sonnenuntergang am Bodensee

Um nicht vor Hunger und Durst vom Rad zu fallen, gönnten wir uns kurz vor Schließung der Imbissstände am Hauptbahnhof noch einen Snack und je eine Flasche Augustiner, lernten dabei einen lustigen Bahnhofsfan kennen und fuhren dann, ganz ohne Navi, auf meiner „Nachtroute“ über Ramersdorf und Perlach nach Hause. Dort war alles noch an seinem Platz.

Gesamt-Track

 726 Fahrradkilometer