Gut geschlafen, beim Erwachen die Sonne durch den Rolladen blinzeln sehen, geräkelt, gewaschen, gepackt, von der an allem herzlich Anteil nehmenden Frau Nowak verabschiedet, die Räder bepackt, hinüber zum Nahkauf um Frühstück und Proviant und ab in den Park. Déjeuner mit Blick auf Goethes Gartenhaus.
Dann wieder auf die Route. Bedrückend unterhalb einer hohen Bahnbrücke Totenmale für jugendliche Selbstmörder. Ein Eisenkreuz, aufgehäufte Schottersteine, Fotos, Gedichte, kleine Kuscheltiere, ein großes Graffittibild in lebensfrohen Farben. RIP. Weiter durch Wald am Flüsschen entlang. Von Tiefurt bis Kromsdorf hieß die Route „Maria-Pawlowa-Promenadenweg„, dann „Franz-Liszt-Promenadenweg“ – jedem Ort seine Berühmtheit. Zwischen Oßmannstedt und Oberroßla eine Kirschbaumallee mit wohlschmeckenden reifen Früchten. Am Eingang von Niederroßla machte sich Luftmangel in meinem Hinterreifen bemerkbar. Aufpumpen half nur kurz, also Schlauchwechsel am baumbestandenen Dorfplatz. Problemloser Aus- und Einbau des Hinterrades. Das haben Utopia und Rohloff elegant gelöst. Gleich noch Brotzeit. In der Ferne dunkle Wolken.
Auch hier, wie schon am Morgen, immer wieder Sturmschäden an Bäumen. An einem verwahrlosten Kirschgarten ein riesiger uralter Ast mit wundervollen Früchten. Früher sei hier geerntet worden, heute kümmere sich niemand mehr um die Kirschen, erzählte eine Frau, die mit dem Auto aus Eberstedt herüber gekommen waren, um Kirschen für einen Kuchen zu pflücken. Wir aßen reichlich, aber maßvoll. Das Wetter blieb uns hold.
An der begehbaren Sonnenuhr von Eberstedt machten wir die Bekanntschaft von Leuten, deren Tochter in Ottobrunn am Haidgraben wohnt. „Klein ist die Welt.“ Zwei große Schalen Milchkaffee „Zum Wassermann“ in Bad Sulza. Leider kein Fahrradgeschäft, wo ich mir eine anständige Luftpumpe hätte borgen können, denn mein Hinterreifen war noch etwas schlapp.
Ein paar Kilometer weiter, wo die Ilm in die Saale mündet, endete dann der Ilm-Radweg und wir fuhren saaleaufwärts. Sattgrüne Laubwälder an den Hängen des Tals. Zuerst ging es eine ganze Weile an der Saaletal-Bahn entlang. Dann etwas weiter entfernt in den Auen. Irgendwann beschlossen wir, dass es nun nicht mehr lohne, vor Jena Station zu machen.
Aber Jena wollte uns nicht. Alle in Frage kommenden Hotels, einschließlich Ibis, belegt. Die Gegenden der Stadt, durch die wir auf der Suche kamen, ließen uns insgesamt zweifeln, ob es sich lohnen würde, zu bleiben. Um halb Acht beschlossen wir, im Einkaufszentrum Neue Mitte unter dem riesigen Glasturm eine Radtourenkarte des Saaleradweges und eine große Flasche Wasser zu kaufen und die Stadt flussaufwärts zu verlassen.
Es sollte allerdings noch bis halb Zehn dauern, bis wir den Thüringer Hof in Kahla erreichten. Bei leichtem Niesel und zwei wunderbaren Regenbogen hatten wir uns schon alle Arten der Nächtigung im Freien ausgemalt. Zum Schluss wurde es noch einmal spannend, denn der Gasthof hatte Ruhetag und alles war dunkel. Schließlich wurden wir aber doch noch eingelassen und bekamen für 49 Euro ein frisch renoviertes Zimmer mit allem Komfort. Auf Empfehlung der Wirtin suchten wir dann noch ein griechisches Lokal im ehemaligen Ratskeller und bekamen gut und reichlich zu essen. Fast wären es an diesem Tag 100 km geworden.