Auf dem Weg zur Metrostation trafen wir auf den Startpunkt einer Oldtimer-Rallye. Unterhalb einer großen Plakatwand der Uhrenfirma L.U. Chopard, die das Ganze offenbar veranstaltete, waren sehr gut erhaltene große Limousinen der Marken Bentley, Opel, Mercedes, Horch und anderer bekannter Marken aufgereiht. Ob das die Originale der als Kriegsbeute nach Moskau gelangten Karossen deutscher Nazigrößen waren, oder einfach gleichartige Fahrzeuge dieser Marken, war nicht zu erkennen. Hatte damals jemand einen knallblauen Horch gefahren?
Auf der Fahrt zum Siegespark erlebten wir eine der opulenten alten Metrostationen mit riesig breiten und langen Fluren, Laternen und Leuchtern. Der monumentale Park, den wir besuchten, ist dem Sieg über Deutschland 1945 gewidmet und bekam natürlich jetzt, im Monat des siebzigsten Jahrestages besondere Bedeutung.
Gleich hinter dem Eingang waren verschiedene Spielfelder für allerlei Funsportarten aufgebaut und es ertönte laute Musik mit amerikanischen Texten. Später, bei einer Siegerehrung erklang die russische Nationalhymne und einige Umstehende nahmen Haltung an. Wir wanderten die zentrale Achse hinauf zu dem 142 Meter hohen Obelisken, umrundeten das ihn im Halbrund umfassende Museum und gingen dann im weiten Bogen durch den Park zurück. Wir sahen noch einige Denkmäler mit Bezug zu Krieg und Sieg, passierten ein Areal, in dem Panzer und anderes Kriegsgerät ausgestellt waren, eine Gedenksynagoge und zahlreiche Imbissstände. Es gab Verleihstationen für Kickboards, Fahrräder und Inline Skates, die gut frequentiert waren. Und es gab natürlich Familien mit quengelden Kindern, die alles und nichts zugleich wollten.
Kleidung, Musik, Markennamen – man ist geneigt, Moskau für ziemlich amerikanisiert zu halten. An Imbissständen gibt es „Hotdogi“, zum Frühstück werden „Sosici“ angeboten, es gibt Mc Donalds (alles in kyrilischen Zeichen), und als wir am Ende unseres Rundgangs wieder im Areal der Wettbewerbe ankamen, übte auf einer Wiese auf einem Hügel eine Gruppe knappberockter Mädels mit Puscheln Cheerleadertänze. Wir sahen noch einige Zeit den Darbietungen von Gymnastikgruppen zu, darunter auch einer, in der die Mädchen ihre Übungen in militärähnlichen Trikots und Kopftüchern zu martialischer Musik vollführten. Dann stiegen wir wieder hinab in die Metro.
Wenn Napoleon heute käme, um Moskau zu erobern, würde er sich in der Metro verirren. Unser Versuch, mit einmal Umsteigen zur Kropotkinskaia zu gelangen, führte zu einer längeren Irrfahrt, die auf einem weiten Stück sogar oberirdisch verlief. Es gibt an manchen Stellen, selten dort, wo man sie braucht, kleine Linienpläne, es gibt auch gelegentliche Hinweisschilder, aber es gibt kein einheitliches Leitsystem und an manchen Stationen findet man den Namen nur mit Glück und guten Augen.
Schließlich erreichten wir doch die Kropotkinskaia, benannt nach einem führenden Anarchisten, Sie liegt gegenüber der Erlöserkirche am Ende einer Grünanlage, die wir hinauf zum Standbild von Gogol und wieder herunter wanderten. Geleitet vom Reiseführer sahen wir noch gegenüber der Kirche eine etwas verwaist wirkende, angeblich der Nomenklatura vorbehaltene alte Tankstelle.
Neben dem Engels-Denkmal in der Nähe schienen etliche Trinker ihren Stammplatz zu haben. Wir ließen uns etwas abseits zur Rast nieder.
Unsere nächste Station war das Satschtjewskij-Frauenkloster, ein überaus freundlich gestalteter Ort. Die niedrige Kirche war voll mit Gläubigen, auf dem Boden lag trockenes Gras, dessen Duft zusammen mit dem von Weihrauch die Luft erfüllte, den Gesängen des Priesters antwortete jeweils ein wohlklingender mehrstimmiger Chor der ganz in schwarz gekleideten Nonnen. Wir hörten eine Zeit lang zu.
Angrenzend an diese beschauliche Stätte liegt ein Viertel, in dem früher der Adel wohnte und wo heute der moderne Geldadel haust. Große Dichte schwarzer Limousinen, SUVs und Wachleute. Auf dem weiteren Weg sahen wir noch das hölzerne Haus mit Säulenvorbau, in dem Turgeniew gelebt hat, dann waren wir bei der Metrostation Kulturpark und kamen nach einer weiteren Irrfahrt zum Kreml. Mehr aus Verlegenheit wegen der fortgeschrittenen Zeit gingen wir nochmal im Gum essen.
Danach saßen wir noch im Blütenduft der Alexandergärten und sahen den Leuten zu, die heute allerdings weit weniger zahlreich unterwegs waren.