Nachts hörten wir ein paar mal klägliches Hundegeheul, gegen Morgen begannen der Hahn zu krähen und ein paar Tauben zu gurren. Landleben ist nicht leise.
Wir genossen die wahrhaft luxuriöse Dusche mit Hand- und Regenbrause hinter der großen Glaswand, gegen die wir nachts auf der Suche nach der Toilette mehrmals gelaufen waren. Alles war wunderbar komfortabel und funktionierte wie gewünscht.
Unten in der großen Küche fanden wir schon unser Frühstück aufgebaut, mit Obst und sauer eingelegtem Gemüse, Joghurt, Marmelade, Käse, Wurst und Toast, Saft und Kaffee. Kaum hatten wir uns niedergelassen, erschien auch schon die Signora und begann mit der Unterhaltung. Wir erfuhren, dass vergangene Woche ein Nachbarshund gestorben war, daher wohl das Gejaule seines Kumpanen; dass der ganze Hof Besitz der Großfamilie sei; dass ihr Vater vor vielen Jahren auf seinem Traktor von einem Lastwagen getötet wurde und dass sie das Haus mit viel Eigenarbeit so schön hergerichtet habe. – Wir hatten uns schon morgens im Bett darüber unterhalten, welchen wirtschaftlichen Nutzen wohl der viele Tand und Schnichschnack hätte, der uns umgab. Landwirtschaftliche Gerüche wurden durch chemische Düfte übertönt, die auf dem Flur leise schnaubenden batteriebetrieben Apparaten entströmten. Madame hatte uns, um ihre Arbeitsbelastung gerade vor Ostern zu erklären, bereits am Telefon über ihren Hauptberuf als Friseuse informiert, der sich auf den Borden und in den Schränken des Bades in unzähligen Dosen, Tuben und Fläschchen mit allerlei Salben und Essenzen für den Herrn und die Dame manifestierte.
Später lernten wir auch noch die Mama kennen, die gekommen war, um gemeinsam das Ostermahl für die ganze Familie zu bereiten. Nur der Ehemann sei vor Jahren mit einer Rumänin durchgebrannt und der gemeinsame Sohn mit ihm. Wir bekamen, als Referenz zum pfirsichblütigen Namen des Hauses, noch ein Glas eingelegte Pfirsiche geschenkt, schrieben Lobpreis und Dank in das Gästebuch, fotografierten uns gegenseitig und machten uns mit Küsschen links und rechts auf unseren weiteren Weg. Sehr nett all dies, wenn auch ein wenig viel des Guten.
Wir hatten heute keinen fertigen Radweg, dem wir folgen wollten, sondern hatten uns schon mit der Wahl dieses Übernachtungsortes entschieden, ein Stück des Po-Radweges auszulassen und erst bei Ostiglia wieder darauf zu stoßen. So ließen wir uns einfach vom Navi den Weg weisen, und OpenStreetMap, dessen App neuerdings etwas verwirrende Updates erfahren hatte, erledigte diese Aufgabe ganz vorzüglich. Den ganzen Tag waren wir auf untergeordneten Straßen und meist gut befahrbaren Feldwegen unterwegs. Das Land lag in Ostersonntagsruhe und unsere Tagesdistanz ließ, zumal die Strecke völlig eben war, ruhiges Dahinfahren zu, das bisweilen von Rückenwind begünstigt wurde.
Nur mit der Gastronomie war es etwas schwierig, weil viele Bars zu hatten oder nur geschlossene Gesellschaften bewirteten. Immerhin fanden wir in einem kleinen Ort eine Bar unter asiatischer Leitung, wo sich etliche Männer niedergelassen hatten, die offenbar an diesem Festtag keine andere Unterhaltung hatten. So kamen auch wir zu unserem Nachmittagskaffee.
Gegen Vier waren wir in Ostiglia vor dem Hotel La Ciminiera wo wir gebucht hatten, aber niemand war da, um uns zu öffnen. Nach längerem Warten und Läuten rief ich die Telefonnummer, die auf einem Zettel an der Tür stand und verstand die erhaltene Auskunft so, dass gleich jemand käme, um uns einzulassen. Als eine halbe Stunde später noch immer niemand erschienen war, rief ich nochmals an und erhielt den Einlasscode für die Tür und die Information, welcher der auf der Theke bereit liegenden Zimmerschlüssel für uns gedacht sei.
Wir gingen in unser Zimmer, ruhten uns eine Weile aus und machten uns dann auf den Weg, etwas zu Essen zu suchen. Das war nicht ganz einfach, denn wie das Restaurant bei unserem Hotel hatten auch viele andere Gaststätten wegen Ostern geschlossen. Am Ende fanden wir aber doch ein geöffnetes Hotelrestaurant und bekamen dort gute Pizza. Es herrschte da auch reger Andrang von Leuten, die Pizza für die ganze Familie zum Mitnehmen holten. Als wir wieder zu unserem Hotel zurückkamen, dröhnte die Musik am nahen Jahrmarkt bei leeren Karussels für ein paar herumstehende Jugendliche. Wir hörten den Klang auch noch, als wir schon im Bett lagen.