Trotz der unmittelbaren Bahnhofsnähe schliefen wir recht gut in der Casa di Gino, bis morgens eine sehr sorgfältige Kehrmaschine vor unserem Fenster kreuzte und etliche Rollkoffer vorbeizogen. Aber da hatten wir schon ausgeschlafen. In der Wohnung fand ich einen freundlichen und morgendlich noch recht undesignten Menschen, erfuhr, dass Namensgeber des Hauses nicht er, der Wirt, selbst, sondern der maunzende Kater Gino sei, und ließ mir eine Pasticceria in der Nähe fürs Frühstück empfehlen. Wir holten unsere Fahrräder aus dem Treppenhaus und fuhren hin.
Später verabschiedeten wir uns, bepackten unsere Räder und radelten auf die andere Seite des Bahnhofs, um uns, lange vor Abfahrt des Zuges, schon einmal in eine günstige Ausgangsposition zu bringen. Es dauerte allerdings eine Weile, bis das Abfahrtsgleis unseres Zuges angezeigt wurde. Die engen Aufzüge kannten wir schon von der Anreise und auch das Rätselraten über den Standort des Fahrradabteils. Die Anzeigemonitore für die Haltepunkte der Wagen wurden gerade neu montiert und waren deshalb nicht verfügbar. Also warteten wir auf gut Glück am einen Ende des Bahnsteigs, bereit, gegebenenfalls bei Einfahrt des Zuges loszuspurten. Wir hatten Glück. Der Zug wurde erst in Bologna eingesetzt, kam also reichlich vor der planmäßigen Abfahrt, der Fahrradwagen hielt ganz in unserer Nähe, eine robuste Schaffnerin erwartete uns bereits und der Weg zu unseren Sitzplätzen im übernächsten Waggon war auch gut zu schaffen. So ging es dann auch pünktlich los, hinaus in die sonnige Landschaft.
Mit der Zeit stiegen nacheinander zwei sehr unterschiedliche junge Frauen zu und nahmen die Plätze neben uns ein. Die erste Italienerin, stark geschminkt, mit Lippenstift und Wimperntusche, etwas pretiös und leicht verzweifelt weil die Steckdose am Platz nicht gleich Strom für ihr Telefon und ihren Apple Laptop lieferte. Sie machte auf ihrem Telefon lange ein Spiel, bei dem auf einer Weltkarte gelegentlich Länder explodierten. Die zweite, etwas später eingestiegen, in etwas punkigem Zwiebellook, Typ deutsche Studentin auf Wochenend-Heimreise, mit großen Kopfhörern und einem kleinen Notiz- und Skizzenbuch aus Valencia, sah etwas ernst aus, hatte aber ein sehr liebes Lächeln und telefonierte gleich mal laut mit ihrer Omi. Beiden gemeinsam: grobe, nicht ganz geschlossene schwarze Lederstiefel die sie bisweilen auch ganz ungeniert auf die Sitze legten.
Ansonsten das übliche Bild: In diesen Fernzügen ist nie genügend Platz für die Koffer der Reisenden, also stehen und liegen die auf den Gängen herum, rollen bei Anfahren, Bremsen und in Kurven herum, die Leute steigen schimpfend drüber oder zwängen sich daran vorbei. Schon lange vor einer Station entsteht Hektik bei denen, die aussteigen wollen. Die verstopfen dann mit ihrem Gepäck zusätzlich die Gänge. Nach dem Halt kommen dann ganze Kolonnen neu Zugestiegener ohne Reservierung, die einen Platz suchen. Fahren Waggonbauer Eisenbahn?
Auf den Gipfeln der Alpen lag Schnee. Als wir auf Rosenheim zu fuhren, sahen wir die ganze Bergkette in Weiß. Am münchener Hauptbahnhof ließen wir erst alle anderen aussteigen, ehe auch wir mit unseren elf Gepäckstücken folgten. Am Fahrradwagen hielt schon ein freundlicher dicker Schaffner unsere beiden Räder bereit zum herunterheben.
Es war kühl in München. Wir radelten auf wohlbekannten Wegen, besorgten beim Motorama noch Lebensmittel für den Abend und den nächsten Morgen und erreichten schließlich unser Heim, wo es saukalt war, weil ich in naiver Erwartung des Frühlings vor unserer Abreise die Heizung ausgeschaltet hatte. In Deutschland hatte es während unserer Abwesenheit einige Tage lang geschneit.
Hier unsere ganze Tour (627 km):