Der Hausdiener des Hotels erschien heute in einem T-Shirt mit der Aufschrift „Brooklyn NYC“. Wir wechselten nach dem Frühstück in ein anderes Zimmer, von dem wir hofften, dass es ruhiger wäre. In der vergangenen Nacht hatte mich mehrmals das Geräusch eines Kompressors geweckt, der in gewissen Zeitabständen für einige Minuten mit Getöse lief.
Wir begannen unsere Rundgang in dem Viertel hinter dem Bolschoy-Theater, wo sich ein teurer Markenshop an den anderen reiht. Nach einigem Wandern kamen wir an das „Hohe St. Peter Kloster“, das sehr nett, aber in einigen Teilen auch sehr renovierungsbesürftig ist. Besonders gut gefallen hat uns eine der Kirchen, mit weitem, lichtem, in hellen Farben gehaltenem Innenraum.
In der Gegend beim Kloster viele große Verwaltungsgebäude und zahlreiche große Autos mit, wie so oft in dieser Stadt, geduldig wartenden Chauffeuren. Wir saßen eine Weile auf einer Bank unter den Bäumen eines Boulevards und staunten zum wiederholten Mal darüber, mit welchen hochhackigen Schuhen hier viele Frauen ihre Füße quälen, hoben brav die Beine hoch, damit einer der unzähligen Straßenkehrer unter unserer Parkbank sauber machen konnte, kamen an dem überaus hässlichen Bau der Nachrichtenagentur TASS vorbei, sahen mehrmals Dreierformationen von Sprengwagen die Straßen spritzen, fanden die Jugendstil-Villa von Gorki von einem Bauzaun umgeben und unzugänglich und landeten bei den Patriarchenteichen in dem netten holländisch inspirierten Café „Nachtwacht“.
Eine recht lange U-Bahn-Fahrt brachte uns in die Nähe der Lomonossow-Universität mit ihrem riesenhohen Turm, in die wir allerdings nicht hinein durften. Vor ihr erstreckt sich eine weite Fläche mit Brunnen und Gartenanlagen, die von mehreren Straßen gequert wird. Bei der ersten Kreuzung standen mehrere schwere Limousinen und SUVs, bei denen junge Leute abhingen und Wasserpfeife rauchten. Offenbar ein Treffpunkt der besser gestellten Jugend.
Auf den Straßen links und rechts raste ein Sportwagen mit buchstäblich qualmenden Reifen auf und ab. Schon auf den vielspurigen Straßen der Innenstadt hatten wir immer wieder erlebt, dass schnelle Fahrzeuge mitten im Verkehr von einem Ampelhalt zum nächsten mit heulendem Motor, röhrendem Auspuff und quietschenden Reifen voll ausgefahren wurden. An den Wettrennen beteiligen sich auch Motorradfahrer mit schweren Maschinen. Eine Gruppe mit großkalibrigen Moppeds trafen wir dann auch am Ende der Anlage, von wo man, hoch über dem Fluss, einen weiten Ausblick über die Stadt hat. Wir genossen das Panorama und suchten dann die Sesselbahn zum Flussufer, die der Reiseführer versprach. Die war allerdings nicht in Betrieb. Gebaut worden war sie offenbar als Aufstiegshilfe zu einer hoch aufragenden Schisprung-Schanze, an der entlang wir nun zu Fuß abstiegen und weiter hinunter zum Fluss.
An seinem Ufer waren schicke Sitzbänke, auf denen wir uns mehrmals niederließen, vereinzelt gab es Imbissstände, wie überall in Parks und Anlagen und auch sonst sahen wir turtelnde Paare jeden Alters und natürlich Leute, die einander fotografierten. Von einer Bank in der Nähe sprang ein junger Mann nur mit einer Unterhose bekleidet, das Verbotschild missachtend, in den Fluss, schwamm und tauchte einige Züge in der nicht sehr einladenden Brühe und kletterte wieder heraus zu seinen Freunden, die das Ganze mit dem Smartphone gefilmt hatten.
Die Metrostation, zu der wir wollten, liegt auf der einer verglasten Brücke über dem Fluss. Jetzt, am Vorabend, kamen die Züge in kürzester Folge und waren dicht besetzt. Aber auch in solchen Situationen erleben wir die Moskowiter als durchwegs angenehm. Selten wird schlimm gedrängelt, niemand kommt einem näher als nötig und man passt natürlich auf seine Sachen auf, aber das Risikogefühl, vielleicht bestohlen zu werden, ist nicht größer, als in irgendeiner deutschen Grossstadt.
Mit einmal Umsteigen kamen wir zur Lenin-Bibliothek und liefen von da zum Arbat, einer beliebten Fußgängerzone mit vielen Lokalen. Wir landeten schließlich im Warenuia, einem sehr freundlichen modernen Lokal mit Anspielungen an sowjetische Propaganda an den Wänden, bestückten Bücherregalen zwischen den Tischen und ziemlich einheimischem Essen. Wir hatten kleine Teigtäschchen mit vegetarischer bzw. fleischhaltiger und zum Schluss gemeinsam mit süßer Füllung, dazu naturtrübes Bier „Sibirskaja Korona“ und waren sehr zufrieden. Die Hintergrundmusik – amerikanischer Pop.
An der Lenin-Bibliothek mit dem altersmüde wirkenden Standbild von Dostojewski vorbei kamen wir zu dem Alexandergärten und dann am Roten Platz vorbei zurück zum Hotel. Auf dem Platz gegenüber dem Bolschoy saß in jedem dritten Auto ein Chauffeur und auf der Teatralnaia wurden die üblichen Rennen gefahren.