Steinrain war, zumindest in dieser Nacht, eine beliebte Vater-Tochter-Herberge. Der korpulente Schwabe mit halblangen grauen Haaren und seine vielleicht 13jährige Tochter waren wohl auf Motorradtour, das andere Paar, die Tochter mitte Zwanzig und mit aufwendig bemalten Fingernägeln, schien zu einer Beerdigung in der Nähe angereist zu sein. Die beiden saßen mit uns beim Wurst-Käse-Marmelade-Frühstück, mit diesmal besseren Semmeln, Kriachal und Kirschtomaten aus dem eigenen Garten und selbstgemachten Marmeladen. Alles ganz erfreulich, auch das Wetter, mit klarem Himmel und dennoch nicht zu heiß zum Radeln. Wir kehrten zum Labertalradweg zurück, den wir für die Übernachtung verlassen hatten und sahen nochmal das Denkmal am Friedhof für 67 Juden, die auf einem der Todesmärsche zu Ende der Naziherrschaft zu Tode gekommen sind.
Beim Edeka in Mallersdorf kauften wir unseren inzwischen üblichen Proviant von Bananen, Magerquark und Joghurt. Der Weg lief zunächst in der Nähe der Laber, ab Straubing an der Donau entlang und war fast durchgehend eben, zwischen Atting und Straubing nach unserem Geschmack etwas zu nah an der viel befahrenen Straße. In Straubing setzten wir uns eine Weile auf eine Bank am Stadtplatz und kamen ins Gespräch mit einer Frau, die sich mit einer Leberkässemmel zu uns gesellt hatte.
Wir wechselten auf den Donauradweg. In Bogen machten wir an einem Brunnen bei der Brücke über den Bogenbach Brotzeit und tranken danach gleich gegenüber Kaffee. Seit Straubing waren wir wieder auf dem Donauradweg, der ein wenig später längere Stücke auf dem Damm verlief und schöne Ausblicke bot.
In Deggendorf machten wir gemütlich Pause, umrundeten den Hauptplatz, besichtigten die Kirche und gönnten uns ein Eis. Von da aus waren es nur noch etwa zweieinhalb Kilometer bis zu unserem Tagesziel. Allerdings hatten wir mangels gründlicher Recherche nicht im Plan, dass dieses letzte Stück unserer Tagesetappe uns nochmal 150 Höhenmeter aufwärts führen würde. Aber selbst beim Schieben bewährte sich unsere inzwischen antrainierte Kondition und schließlich langten wir beim Krahwirt hoch über Deggendorf an und bezogen unser Quartier. Das Haus ist ein ziemlich großer, flott organisierter Gastronomiebetrieb mit Biergarten, bierzeltählichem „Stadel“ und normalbayerischem Restaurant.
Wir bezogen unser Zimmer mit Dachfenster und wenn wir auf einen Stuhl kletterten, sahen wir den nicht ganz so interessanten Teil des Panoramas, das der Standort bietet.
Im Biergarten hingegen gab es schönen Fernblick auf das etwas dunstige Tal, freundliche Bedienung und gutes Essen, im Stadel, wohin wir umzogen, als es nach Sonnenuntergang draußen zu kühl wurde, war es warm vom großen Holzfeuer unter dem Schwenkgrill, aber es gab seichtesten Bayernpop aus Lautsprechern, die Wände waren gepflastert mit einem chaotischen Sammelsurium an alten landwirtschaftlichen Gerätschaften, Hirschköpfen und anderem Tand, am Klo hingegen über den Urinalen, an einer Wäscheleine aufgehängt, Seiten der aktuellen Bildzeitung und im Stadel gab es völlig überflüssiger Weise mehrere große Monitore, auf denen die Top 100 gesammelten Schwachsinns präsentiert wurden, den das Internet an vermeintlichem Humor hergibt. In grottenschlechter technischer Qualität zusammengeschusterter Müll, dümmlichster Sexismus, schwachsinnige populistische politische Statements. Wo selbst getextet wurde, ging es meist pseudobayerisch zu und mit dem Apostroph wurde nicht gespart, aber „Der Krahwirt is koa Depp, der Krahwirt hat a App“. Das alles nannte sich „Bayerisches Lifestyle Wirtshaus“, war ziemlich überdreht und schrecklich hohl, und das war eigentlich schade, denn dem Ort, der tadellosen Küche, dem süffigen Hausbier und dem freundlichen Service hätte man gerne ein geistvolleres Ambiente gewünscht. Wir tranken aus und gingen schlafen.