Tagesbeginn mit Regen, der zum Glück bereits nachgelassen hatte, bis wir aus dem Haus kamen. Erster Weg zum Nahkauf, Roggensemmeln, Hefehörnchen und Bananen zum Frühstück, verzehrt im Gehen Richtung Goethes Gartenhaus.
Der Besuch dort gab einmal mehr Anlass zu Gedanken darüber, dass unser vielgelobtes National-Genie einfach auch die gesellschaftliche Stellung und die finanziellen Mittel besaß, das umzusetzen, was ihm sein unternehmender und in so vielen Bereichen dilettierender Geist eingab. Man muß sich den Dichterfürsten ja nicht mit Harke und Spaten in dem von ihm „angelegten“ Garten vorstellen, oder auf Knien jätend zwischen Erdbeeren und Spargel. Während ich mich bei einer Tasse Milchkaffee im „Residenz-Cafe“ solchen Gedanken hingab, las Friederike im Baedeker die Beschreibung von Goethes späterem Stadthaus am Frauenplan und vermisste folgerichtig die Erwähnung von Küche und Kinderzimmer.
Weiter zur Kirche Peter und Paul, wo gerade eine Mittagsandacht gehalten wurde. Die Pfarrerin meditierte über Stille und lud abschliessend zu solcher ein, bis sie das Zeichen zum gemeinsamen Singen einer Liedstrophe geben würde. Der Organist hatte anderes im Sinn und präludierte die Stille nieder, ehe er gleich zwei Strophen des angekündigten Liedes ertönen ließ. Wozu war er schließlich gekommen?
Auffallend, wie schon an den vorherigen Stationen unserer Reise, ist das Fehlen von innerörtlichen Lebensmittelgeschäften, wo wir etwas zu Essen kaufen könnten. So verschlug es uns in eine moderne Shopping-Mall, wo wir uns mit Aldi-Wasser und Brötchen versehen konnten. Am nahen alten Jakobskirchhof machten wir Rast und beobachteten eine Schülergruppe, die wie wir das Grab von Christiane Vulpius und das Schiller-Mausoleum besichtigte.
Eine Alarmglocke im nahen Plattenbau, der heute ein Studentenheim beherbergt, rief jede Menge Feuerwehr herbei, aber es war wohl nichts Großes passiert. Vom Turm der Jakobskirche aus konnten wir besonders gut sehen, wie der riesige Klotz von 1969 das Stadtbild verschandelt. Einer Informationstafel zufolge hatte man zeitweise die Absicht gehabt, das ganze Stadtviertel platt(e) zu machen. Wir guckten erst aus den Fenstern der Türmerwohnung, dann, nach Bezwingung einer Hühnerleiter, auch noch aus den kleinen Turmfenstern und sahen Dächer, Landschaft, Türme und noch einige weitere Bausünden des 20. Jahrhunderts. Unten in der Kirche übte klangvoll ein langhaariger Organist.
Postkartenschreiben im blumenreichen Garten des Kirms-Krackow-Hauses. Auf dem Markt eine Thüringer Rostbratwurst in der Semmel. Dann auf Umwegen zum Bauhaus-Museum. Während wir uns den Einführungsfilm ansahen, begann draussen ein heftiger Gewittersturm. So hatten wir reichlich Zeit, uns den Saal mit Kunst, Architekturentwürfen und Alltagsgegenständen in Ruhe anzusehen. Es goss anhaltend.
Als die Sonne wieder hervor kam, zerrten die Punks vom Theaterplatz einen riesigen Ast über den Plan und stellten ihn am Goethe-Schiller-Monument auf. Feuerwehr war unterwegs, um überall die Unwetterschäden zu beseitigen. Wir wanderten zum Historischen Friedhof, dessen große alte Bäume verschont geblieben waren, umrundeten das Fürstengrab, in dem auch Goethe bestattet ist, fanden auch die restliche Familie Goethe und die Frau von Stein, liefen dann zurück in die Stadt und bekamen in einer Trattoria in Eckermanns Haus gut zu Essen und Ruhe für die müden Beine. Dann in kräftig kühler Abendbrise durch den Park, an Goethes Gartenhaus und der Bauhaus-Villa am Horn zurück zu Frau Nowak, wo wir unsere Betten gemacht und die Handtücher gewechselt fanden.