Wir lagen eingehüllt in alle unsere Kleider und je zwei Wolldecken und versuchten, zu schlafen. An den Fenstern gefror das vom Dach herabgeflossene Tauwasser. Einmal kam ein Mechaniker und wühlte in einem Schaltschrank, aber unsere Hoffnungen erfüllten sich nicht. Es wurde eher noch kälter und irgendein Ventilator, der sich nicht abschalten ließ, führte ständig einen leichten Stom Außenluft herein. Zur Abwechslung gab es die üblichen Grenzkontrollen, Zollkontrollen, Fahrkartenkontrollen.
Schließlich kamen wir in Sofia an. Der Bahnhof monumental gebaut und bescheiden ausgestattet und beschildert. Mit Mühe fanden wir die Gepäckaufbewahrung, wo eine extrem mürrische Frau Dienst tat. Ein Guide, den wir eigentlich gerne gemieden hätten, half uns mit der Auskunft, dass wir zwei Lew pro Gepäckstück zu zahlen hätten. Ein Wechselschalter bot die Möglichkeit, unser restliches Serbisches Geld einzutauschen. Es war klar, dass wir da keinen guten Kurs bekommen würden, aber hier war das Ergebnis so schlecht, dass Friederike nochmal zurückging, um sich zu beschweren. Der Mensch hinter dem Schalter blieb natürlich stur. Sein Boss, der während der Transaktion mit Klebefilm Ziffern auf einer Kurstafel befestigt hatte, kam uns dann allerdings rufend durch den ganzen Bahnhof nachgelaufen und reichte noch zehn Lew nach. Das machte die Sache etwas besser.
Wir vertrauten der Mürrischen unser Gepäck an und liefen stadteinwärts. Im Regierungsviertel verlor sich eine Demonstration einer nationalistischen Partei zwischen den monumentalen Bauten. In der übrigen Stadt gab es tiefe Löcher in Straßen und Gehsteigen. Wir liefen über einen Markt, wo von sorgfältig aufgebauten Stapeln Obst und Gemüse verkauft wurden. Am Straßenrand boten arme Leute kleine Mengen Gemüse an. Ebenso ordentlich arrangiert gab es in einem anderen Teil des Marktes Kleider, bunter Arrangements von Unterhöschen und Büstenhaltern, einige Stände boten Militaria an, auch ein UN-Blauhelm war dabei.
Gut aufwärmen konnten wir uns beim Besuch einiger Kirchen, die immer gut geheizt sind. Auch hier wanderten die Gläubigen von Ikone zu Ikone, einmal sahen wir einen Priester, der in Gegenwart eines Ehepaares laute Gebete an einer Ikone vortrug, so als seien sie von ihnen bestellt worden. Um die Wandbilder und Ikonen vor dem Ruß der zahlreich gespendeten Votivkerzen zu schützen, gibt es in vielen Kirchen Kerzenständer mit Rauchabzug, bisweilen auch Kästen im Freien vor der Kirche, wo die Kerzen aufgestellt werden sollen.
Auch ein paar nette Cafes fanden wir und zum Schluss auch ein gutes Restaurant, wo wir ausgiebig zu abend aßen, um gewappnet zu sein für die letzte nächtliche Zugfahrt dieser Reise. Die sollte spannender werden, als uns lieb war.
Es begann damit, dass wir zwar rechtzeitig am Bahnhof waren, um unser Gepäck wieder bei der Mürrischen abzuholen und bequem den Zug zu erreichen, aber es stellte sich heraus, dass uns niemand sagen konnte, wo das Gleis 7 sei, das auf der Anzeigetafel als Abfahrtsort unseres Zuges genannt war. Niemand verstand auch nur unsere Frage, so dass wir, nun schon recht knapp, auf eigene Faust suchten und in der Tat paar wenige einsame Waggons fanden, die den Zug nach Instanbul darstellten. Von dem wunderbaren Schlafwagen allerdings, für den wir zwei luxuriöse Doppelkabinen gebucht und bezahlt hatten, war weit und breit keine Spur. Vielmehr handelte uns der Liegewagenschaffner nochmal je zehn Euro für Liegewagenplätze ab, teilte die üblichen Tücher, Kissen und Decken aus und los ging die langsame und ruckelige Fahrt in die Nacht.