1. Juni
Eichstätt (~20 km)

An die Züge, die auf der anderen Talseite die recht beachtlich ansteigende Bahnstrecke entlang fahren, kann man sich gewöhnen, so dass wir das Schallschutzfenster offen ließen. Interessant wie zu Kinderzeiten die endlos langen Güterzüge aus Kesselwagen und Autotransportern, die man schon lange hört, bevor sie zwischen den Bäumen des Waldes sichtbar werden, und deren Geräusch noch lange nachklingt, wenn sie wieder verschwunden sind. Bahn ist immer faszinierend.

Tagesausflug durch das grüne Tal ins nahe Eichstätt. In der Stadt zähneklappernd über Kopfsteinpflaster. An der Gastronomie erkennt man die Universitätsstadt. Pizzerien und Cafes allenthalben. Dombesichtigung. Im Willibaldschor gegenüber dem Hochaltar zeigt uns der Heilige das Knie. Im Kreuzgang erstaunliche Kunstwerke von einst und jetzt. Noch ein Blick in die Schutzengelkirche. Fünfhundertsiebenundsechzig Engelsdarstellungen soll es hier geben. Wir haben nicht nachgezählt. In der Kapuzinerkirche eine Nachbildung des Heiligen Grabes.

Relief im Kreuzgang des Eichstätter Doms

Nett, wer hier so mitliest. Im Cafe am Domplatz erreichte mich eine Mail vom Bikeline-Verlag. Man bedaure den Fehler, der uns am ersten Tourtag in den Teufelsgraben geführt hat und werde ihn gleich ausbessern. Gut so, und ein schöner Gruß zurück!

Der Weg hinauf zur Willibaldsburg war schweisstreibend, aber von oben gab es einen schönen Ausblick über Stadt und Tal. Das Jura-Museum sparten wir uns, auch wenn es dort einen echten versteinerten Archäopteryx geben soll. Jedes Schulkind kennt die Bilder. Auf den Höhenzügen rund um Eichstätt sieht man wie gelbe Narben im Waldgrün einige Stellen wo der urzeitliche Kalkstein abgebaut wird.

Wer gerne gärtnert, dem sei der Bastionsgarten empfohlen. Nicht, um sich dort selbst mit Harke und Schere auszutoben, sondern zum Schauen und Staunen. Staunen zum Beispiel darüber, dass hier Sträucher zu Kugeln geschnitten vorkommen, die daheim jeden Einsatz der Schere mit jahrelangem Minderwachstum quittieren. Flieder, Kornelkirsche, Forsythie, Schneeball, alles zu Kugeln geformt. Don’t try this at home.

Bastionsgarten auf der WillibaldsburgZitronenbäumchen im Bastionsgarten

An den Zitronenbäumchen sind Schilder angebracht, auf denen gebeten wird, die Früchte nicht zu stehlen. Daran scheinen sich die Besucher in der Tat zu halten, was sie aber nicht an anderem Schabernack hindert. Die Zitronen waren prall und groß, wie nie gesehen. Einer besonders runden war mit Edding ein Gesicht aufgemalt.

Erstaunlich auch die Namen. Nicht so sehr die altertümlichen aus dem alten Klosterbuch, nach dem der Garten in jüngerer Zeit angelegt wurde. Sondern die lateinischen botanischen Namen, die gleichfalls auf den Täfelchen angegeben sind und an denen man erkennen kann, dass einige Bewohner des heimischen Gartens eigentlich ganz anderen Spezies angehören, als auf dem Schild im Gartencenter stand. Ich hatte schon immer den Verdacht, dass diese Bezeichnungen vielfach volkstümlich und irreführend sind.

Mit 61 km/h den Burgberg wieder runter. Unten im Stadtcafe gabs feinen Kuchen. Dialog an der Pralinentheke, Verkäuferin und Kundin: „Haben Sie eine spezielle Vorstellung, was es sein soll?“ – „Eine kleine Mischung für eine ältere Dame.“ – „Aha, ohne Nüsse…“ So ist das also.

Im Ort allenthalben Radfahrer mit Tagesgepäck oder voller Beladung. Die Mountainbiker erkennt man auch noch in der Kirche an der Schlammspur am Rücken. Warum fährt Mensch ein solches Rad? Wer nicht wirklich in unwegsamem Gelände unterwegs sein will, und das sind wohl die allermeisten, die uns hier begegnen, braucht weder grobstollige Reifen, noch eine Vollfederung, bei der ordentliche Schutzbleche nicht möglich sind. SUV-Räder sind das also, eine ebenso verfehlte Mode wie der beliebte Geländewagen als Familienkutsche. Als ich neulich über eine Fahrt berichtete, fragte jemand: „Rennrad oder Mountainbike?“ Touren- oder Reiseräder scheinen etwas aus der Mode zu sein.

Wir fahren, an dieser Stelle sei’s einmal verraten, seit fast fünfundzwanzig Jahren Utopia-Reiseräder. Die ‚Strandläufer‘, mit Kettenschaltung, Trommelbremsen, schmalen Tourenradreifen und einer Vorderradgabel, die allein durch die Elastizität des Materials für einigen Fahrkomfort auf rauen Strecken sorgte, haben uns viele tausend Kilometer ebenso über Teerstraßen wie über Waldpfade getragen. Mit Gepäck und ohne. Damals war man stolz auf Rahmen aus elastischen Stahlrohren mit geringem Querschnitt. Als die Mode zu dünnwandigen Rohren mir großen Querschnitten ging, war Schluss mit dem Federungskomfort elastischer Rahmen. Die Nachfolger sind nun Utopia Roadster mit 14-Gang-Nabenschaltung, gekapselter Kette und Scheibenbremsen, und auch sie haben uns schon komfortabel über etliche tausend Kilometer getragen.

Utopia Roadster