Die Nacht über regnete es. Als wir morgens früstückten, schien es kurz nachzulassen, aber bis wir losfuhren war der Regen so stark, dass wir Regenkleidung brauchten. Und so sollte es, mit ein paar kurzen Pausen, den ganzen Tag bleiben. Auch die Fronleichnamsprozession, für die schon alles dekoriert und hergerichtet war, fiel ins Wasser. Die Tücher unter den Fenstern, mit denen einige Häuser geschmückt waren, hingen nass und schlapp herunter und die in manchen Straßen aufgestellten jungen Birken blieben unbesungen. Schade drum.
Der Main-Donau-Kanal zieht hier in schönen Schleifen durch das Tal und der Radweg folgt seinem Lauf. Seitenarme und Altwasser bieten gute Brutplätze und so sahen wir auch heute Familien von Schwänen, Gänsen und Enten, einige Reiher und einmal sogar einen einzelnen schwarzen Schwan. Einige von Bibern angenagte Bäume sahen wir auch, und über eine weite Strecke waren die Stämme in Wassernähe mit Drahtnetzen gegen die Nager gesichert.
Natürlich ist es viel schöner, bei Sonnenschein zu radeln, aber wenn man die Aussicht hat, am Ende an einem trockenen und warmen Ort anzukommen, ist auch ein Regentag erträglich. Um uns diese Perspektive zu sichern, bestellten wir schon gegen Mittag telefonisch ein Zimmer in Regensburg.
In Kelheim fuhren wir in die schmucke Altstadt und gönnten uns einen Kaffee. Dann ging es weiter, immer am Fluss entlang, der nun die Donau war. Kurz nach Sinzing überquerten wir die Naab, die hier mündet. Dann war es nur noch ein kurzes Stück, allerdings wegen einer Brückenbaustelle etwas verwirrend. Wir kamen an der Eisernen anstelle der Steinernen Brücke über den Fluss, fanden aber dann sofort den Weg zum Brook Lane Hostel, das seinen Namen nach der Oberen Bachgasse hat, in der es liegt.
Nachdem wir die Fahrräder verstaut, das Zimmer bezogen, frische Kleider angelegt und die nassen Sachen zum Trocknen aufgehängt und ausgebreitet hatten, machten wir uns auf zu einem Stadtrundgang. An der Donau waren Arbeiter an einigen besonders tief gelegenen Stellen damit beschäftigt, Barrieren gegen ein mögliches Hochwasser zu errichten. Der Fluss stand ziemlich hoch und am gegenüberliegenden Ufer war schon eine Wiese überflutet. Auch die dicken Stämme einiger Weiden wurden bereits umspült. Die werden das schon ein paarmal erlebt haben.
Am Dom wollte man nichts mehr von uns wissen, der macht um 18:00 Uhr zu. In der Neupfarrkirche übte jemand Orgel. Vor der Kirche erinnert ein Denkmal, das den Grundriss einer alten Synagoge nachzeichnet, an die Juden, die hier gelebt hatten und in einem Pogrom im 16. Jahrhundert vertrieben worden waren. Eine Tafel am Straßenrand erklärt die geschichtlichen Gegebenheiten und das Monument, sagt, dass die Regensburger es „voller Dankbarkeit und Achtung“ angenommen hätten und bittet – irgendwie paradox in dieser Ausdrücklichkeit – darum, „diesen Ort sauber zu halten und jede Beschädigung zu vermeiden“. Der Platz werde videoüberwacht.
Während ich da stand, kümmerten sich drei junge Frauen um eine verletzte oder kranke Taube, die auf der Straße saß. Ein Männchen nutzte ihre Hilflosigkeit und versuchte, sie zu begatten. Sie flatterte auf den Rand des Denkmals, das sich flach auf dem Boden ausbreitet. Als sich die Frauen näherten, flog sie auf und suchte Schutz auf einem Sims über dem Schaufenster eines Geschäfts. Auf dem weissen Stein des Synagogendenkmals blieb ein kleiner roter Fleck von Taubenblut zurück.
Als wir nach dem Abendessen nochmal zur Donau schauten, war das Wasser noch ein ganzes Stück gestiegen, hatte aber nicht den Uferweg erreicht.