Erst mittags von zu Hause aufzubrechen, lässt eine Reise wunderbar entspannt beginnen. Wir nahmen bequemer Weise die S-Bahn zum Hauptbahnhof. Der erste Zug brachte uns dann nach Zürich, der zweite, sehr komfortabel Roll-on-Roll-off, ohne das Gepäck abzunehmen durch das schöne Schweizerland nach Genf. Dort wies uns Garmin souverän den Weg zum schon gebuchten Etap-Hotel. Abendessen gab es in einem nahen Restaurant. Dann war der erste Reisetag auch schon zu Ende.
Wie bereits einmal festgestellt, handelt es sich bei den Zimmern der Etap-Hotels mit ihren harten Normbetten um schlicht effiziente Vorrichtungen zur Durchführung des Nachtschlafes. Nicht mehr, nicht weniger. Klimaanlage, Fenster fest verriegelt, genormte Duschzelle, Miniwaschbecken, Kloschrank. Alles was man braucht. Nicht mehr.
Um knapp acht Uhr, Sekunden vor dem Wecker, Pochen an der Tür. Die italienisch sprechende Putzfrau. Jetzt noch nicht.
Beim Frühstück immerhin freie Mengenwahl von Speis und Trank. Dann vom Zimmer voll bepackt mit dem Lift hinab zur Tiefgarage. Auf dem Weg zum Bahnhof hatten wir nochmal Gelegenheit, uns über die fahrradfreundliche Verkehrsplanung zu freuen. Rot markierte Fahrradfurten, separate Ampelschaltungen, alles sehr nett geplant und ausgeführt.
Am Bahnhof machten wir dann ganz unerwartet eine Grenzerfahrung alter Art. Auf dem Weg zum Gleis nach Frankreich gab es eine Sicherheitsschleuse mit einem langen schmalen Flur, vor der wir mit vielen anderen Reisenden längere Zeit ausharren mussten, bis wir dann doch ganz ohne weitere Formalitäten durchgewunken wurden.
Im Zug quetschten wir uns mit den bepackten Rädern in den Einstiegsraum eines Wagens, den wir mit etlichen Koffern und einer ausladenden afrikanischen Mutti samt Kind teilen mussten und machten uns schon auf eine ungemütliche Fahrt gefasst. Zum Glück zeigte uns die Schaffnerin dann doch noch das unauffällig beschriftete Velo-Abteil, wo unsere Räder wohlverwahrt hängend Lyon entgegenschaukeln konnten, während wir es uns in einiger Entfernung auf weichen Polstersesseln bequem machten. Der Zug füllte sich allerdings zusehens, es wurde eng in den Fluren und so begannen wir schon eine ganze Weile vor der Ankunft damit, uns portionsweise mit den insgesamt elf Fahrradtaschen durch die zwei Waggons bis zu den Rädern zu bugsieren, um beim Ausstieg alles beisammen zu haben.
Der Bahnhof Lyon Part Dieu erfreute uns durch bequeme Rampen von den Bahnsteigen hinunter in die geräumige Wartehalle und der Anschluss ließ uns reichlich Zeit für eine kleine Zwischenmahlzeit mit hartgekochten Eiern und den letzten Tomaten vom heimischen Strauch.
Entgegen unseren Erwartungen sind an diesem Dienstag doch sehr viele Ferienreisende unterwegs. Auch ganze Kinderscharen mit Betreuern auf Ferienverschickung. Der Einstieg in den nächsten Zug gelang nur knapp, weil alle in die letzte Tür drängten und die Hängeplätze für die Räder schon mit Menschen und ihren riesigen Koffern belagert waren. Um nicht auf dem Bahnsteig bleiben zu müssen, während Friederike schon im Zug feststeckte, winkte ich einen orangebewesteten Helfer herbei, der uns freundlicher Weise den nötigen Raum verschaffte. So traten wir zwar etwas eingekeilt, aber immerhin ungetrennt den Weg nach Clermont-Ferrand an.
Dort brauchten wir noch eine Fahrkarte und in Ermangelung von Rampen und Aufzügen wurde es zum Schluss etwas hektisch, bis wir treppab treppauf am Bahnsteig waren und uns in den auch hier recht vollen Zug gezwängt hatten. So ging es dann durch das Hügelland der Auvergne. Es wurde bergig und kurvenreich, Zweige bürschtelten bisweilen den Zug, der sich von Station zu Station leerte. Die Farbe der Kühe wechselte von weiss nach dem charakteristischen glatten Rotbraun der in dieser Gegend üblichen Rasse. Die Ortsnamen wurden vertrauter. Hier hatten wir vor dreissig Jahren Wanderurlaub gemacht, später die Gegend auch einmal mit Fahrrädern durchquert. Wir guckten aus den Fenstern und suchten bekannte Berge und Ortschaften.
Zwei Tage Anreise sind eine Menge Zeit und 1150 km ein weiter Weg, aber schließlich erreichten wir Aurillac, gleich auch unser Hotel, Le Renaissance, und bald saßen wir zufrieden beim ersten französischen Abendmenü seit vielen Jahren. Ab morgen wird geradelt.