26. Mai 2015 – Warschau – Brest

Wir frühstückten, packten, brachten unser Gepäck zur Aufbewahrung und fuhren mit der Tram auf die andere Seite in den Stadtteil Praga.

Dort begannen wir unseren Rundgang im Bazar Różyckjego, einem offenen Markt, wo vorwiegend Kleidung angeboten wird, für alle Lebenslagen von der Geburt über Kommunion und Hochzeit bis ins Schlafzimmer. Alles sehr trostlos, zwischen den Brandmauern angrenzender Häuser. Die Händlerinnen und Händler mehr mit sich selbst beschäftigt, als mit der spärlichen Kundschaft.

Im Weitergehen heruntergekommene Wohnhäuser, über dem Parterre waagerecht angebrachte Gitter, um Passanten vor herunterfallenden Putz- und Mauerstücken zu schützen, Balkone mit durchgerosteten oder ganz fehlenden Bodenblechen, an manchen Häusern zum Teil vernagelte Fenster, hinter anderen sieht es bewohnt aus. Vorkriegsgebäude noch immer mit Spuren von Geschosseinschlägen. Dazwischen große breite Wohnsilos aus sozialistischer Zeit. In diesem Teil der Stadt wenig neue oder renovierte Gebäude. An einem großen Trambahndepot erklärt eine Tafel, dass die Trambahner Betriebsgebäude und Wohnungen nach dem Krieg eigenhändig wieder aufgebaut hätten. Inzwischen sehen die Wohnhäuser wieder stark vernachlässigt aus.

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In einem unscheinbaren Laden ein Postamt. Drei Schalter, einige Stühle, ein Tisch, an dem zwei Kundinnen Formulare ausfüllen. Briefmarken kaufen. Eine kleine Warteschlange. Auf den Stuhl neben mir krabbelt ein süßer Dreikäsehoch, in einer Hand ein Rindenstück, in der anderen ein gefiedertes Blatt. Kindergartenschätze. Er ahmt lautstark und anhaltend Autogeräusche nach. Eine ältere Frau scheint ihn mir zuzuordnen und wirft mit grantigen Blicken. Ich schmunzle und zucke die Schultern. Seine Mutter recht jung, beginnt sich lieb um ihn zu kümmern. Wir ziehen weiter.

An einem Seitenaltar der Bazylika Serca Jezusowego ist Gottesdienst mit wenigen Gläubigen. Marienlieder werden gesungen. Neben dem Eingang ein reichvergoldetes Reliquiar mit einem halben Quadratzentimeter weißen Stoffes und ein paar anderen Fasern, Johannes Paul II zugeordnet, der in der Stadt allenthalben verehrt wird.

Was in Warschau auffällt, sind die zahlreichen ausländischen Gastronomieangebote. In dieser Gegend vor allem türkische Dönerläden, sonst auch Pizzerien, Inder, Nepalesen, die ganze internationale Küche. Was noch auffällt, sind die überraschend wenigen Raucher. In Lokalen wird nicht geraucht, auf der Straße sieht man gelegentlich elektrische Zigaretten. Alkohol hingegen gibt es in manchen Läden bis zu 24 Stunden am Tag und es gibt zahlreiche Leute, denen man seinen intensiven Konsum ansieht.

Am frühen Nachmittag setzten wir uns für einige Zeit in ein Café nahe beim Hotel, dann kauften wir Proviant, holten unser Gepäck und gingen zum Bahnhof, um Warschau in Richtung Minsk zu verlassen.

Der Zug, mit Endstation Moskau, Weißrussischer Bahnhof, war absolut pünktlich und sehr modern und komfortabel. Wir hatten ein großes Abteil für uns allein, mit RFID-Karte für das Schloss und eine dickliche kleine Stewardess erklärte uns mit Händen und Füßen und in ihrer eigenen Sprache, wie die unteren Betten aufzuklappen seien und dass wir in allen nur denkbaren Währungen bezahlen könnten, wenn wir aus dem bereitliegenden Katalog von Getränken, Snacks, Souvenirs und Spielsachen wählen wollten. Wir verzichteten vorerst und machten es uns bequem.

Bald gesellte sich ein Erfurter aus dem Nebenabteil zu uns, der nach seiner Pensionierung eine Weltreise unternehmen wollte. Erstes großes Ziel sei Peking. Wir unterhielten uns über dies und das und gelangten zur weißrussischen Grenze. Da gab es polnische Passkontrollen und Visakontrollen und weißrussische  Passkontrollen und Visakontrollen und winzige Zettelchen, zweifach mit allen unseren Daten auszufüllen, deren fransig abgerissene Hälfte uns wieder ausgehändigt wurde, damit wir sie bis zur Ausreise sehr sorgfältig verwahrten.

Dann ging es in eine große Halle mit Hebevorrichtungen, wo unser Zug auf andere Drehgestelle mit der breiten russischen Spurweite umgesetzt wurde. Das dauerte seine Zeit und darüber wurde es Nacht.

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Im Bahnhof von Brest kletterten wir in unsere Betten. Die Nacht würde nicht lang werden.