Wir hatten eine ruhige Nacht in unserem Kellerzimmer. Frühstück gab es nicht und so waren wir auch bald aus dem Haus. Die Wirtin hatte gesagt, es gäbe gleich an der Hauptstraße eine Bäckerei, aber wir suchten vergebens, bis sich herausstellte, dass mit „gleich“ gut drei Kilometer gemeint waren. Immerhin gab es die Bäckerei, irgendwo einsam an der Landstraße, und wir kehrten ein und aßen gemeinsam drei süße Teilchen, jeweils die letzten ihrer Art in der Auslage, zu je einer kleinen Tasse Kaffee.
Nach dem heftigen Gewitter, das in der Nacht noch niedergegangen war, begann der Tag etwas kühler als die zuvor und wir hatten auch keine besonders weite Strecke geplant und es ging schon bald in einer schönen langen Abfahrt hinunter an den Bodensee. Wir schoben noch einen Abstecher auf die Lindauer Insel ein, tranken gegenüber dem Leuchtturm Kaffee und amüsierten uns mit einer arabischen Familie nebenan. Eine der drei Töchter hatte offenbar die App Boomerang auf ihrem Telefon und der Vater zeigte uns die soeben aufgenommenen kurzen Videosequenzen, auf denen er fortlaufend drei Schritte vor und zurück machte oder, in ebensolcher Wiederholung, die Mutter küsste. Bei einem Supermarkt hielten wir dann noch an, um Proviant zu kaufen und während ich am Parkplatz im Schatten eines Baumes wartete, sprach mich eine Bikerin aus Thüringen an, die ihre feuerstuhlartig bemalte Harley vor dem Laden geparkt hatte und nicht ganz konsistente Geschichten über ihre Fahrt erzählte.
Wir verließen Lindau, wie wir gekommen waren, und fuhren dann weiter am See entlang südwärts. Bei Lochau gab es eine kleine öffentliche Badestelle, an der wenige Paare ihre Handtücher ausgebreitet hatten und Friederike nahm ein Bad im See. Sie fand es sehr erfrischend, während uns ein älteres Paar aus St. Gallen, das auch mit Rädern unterwegs war, erklärte, der Bodensee sei jetzt eigentlich zu warm. In Windungen uns Schnörkeln ging es weiter am See entlang. Bei Hart machten wir auf einer Bank an einem Kanal Brotzeit. Bei Gaißau zwang uns ein weiterer Kanal zu einem gehörigen Umweg. In Rorschach setzen wir uns für eine Weile auf eine Bank am See. Dann begann sich der Weg zu ziehen, denn durch den Abstecher nach Lindau und den Umweg am Kanal hatten wir die errechneten 60 km schon weit überschritten und als wir in der Villa Grazia in Romanshorn ankamen, hatten wir stolze 75 km hinter uns und waren etwas angestrengt. Fast ohne es zu bemerken, hatten wir irgendwo unterwegs ohne Kontrollen und Schlagbäume Österreich passiert und die Schweiz erreicht.
Das Zimmer ist, wie die ganze Gegend, ziemlich teuer, obwohl wir uns das Bad mit anderen Gästen teilen müssen und die Toilette ein Stockwerk tiefer liegt. Aber der Empfang war nett und die Belegschaft des Hauses erwies sich als fröhliche Männergesellschaft.
Auf Empfehlung gingen wir zum „Schäfli“ essen, wo ein Inder einheimische schweizer Kost serviert und sich enthusiastischer Gäste erfreut. Ich bekam zwar nicht das Gericht, das ich bestellt hatte, sondern Bodensee-Felchen, wie Friederike, aber zum Ausgleich danach noch eine Portion deftige Rösti mit Speck. Danach gingen wir noch zum Seefest, wo auf mehreren Bühnen laute Rockmusik ertönte und in einem Zelt Sommerschnulzen zum Besten gegeben wurden. Die Zelte, Buden und Fahrgeschäfte waren allerdings an diesem Abend wenig besucht und die Schausteller hingen oft gelangweilt herum.
Wir gingen noch ans Ende des Kais uns sahen der Dämmerung zu, dann wandten wir uns wieder zum Hotel, wo eine fröhliche Männerfeier im Gang war.
Als wir kaum im Zimmer waren, klopfte es und vor der Tür standen die Wirte mit einem kleinen Tablett, darauf ein Piccolo im Sektkübelchen, zwei Gläser, eine Schale Nüsschen und ein Zettelchen mit „Happy Birthday – Remo und Dani“, denn auf dem Meldezettel war Friederikes Geburtstag aufgefallen. Leider stürzte ein Glas ab und Dani musste kehren, aber das Geburtstagskind hat sich über die nette und etwas beschwipste Geste sehr gefreut.